Mehr Patientenorientierung im Gesundheitssystem

17.06.2018 | Gesundheitswesen

Wie kann das Gesundheitssystem aus der Perspektive der Ratsuchenden noch patientenorientierter gestaltet werden?  Welche Probleme und Herausfoederungen haben Patientinnen und Patienten im deutschen Gesunheitswesen zu bewältigen? Darauf macht der Monitor Patientenberatung 2017 aufmerksam. Vorgestellt wurde der Monitor jetzt auf einer gemeinsamen Pressekonferenz des Patientenbeauftragte nder Bundesregierung, Dr. Ralf Brauksiepe und des Geschäftsführers der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD), Thorben Krumwiede.

Der Monitor Petientenberatung beruht auf der Auswertung der Dokumentation von rund 155.000 Beratungen der UPD. Krumwiede warf in der Auswertung den Blick auf zwei große Leitthemen: Kommunikationsdefizite im Umgang mit Patientinnen und Patienten und Versicherten – und eine vielfach beschriebene Hürde der Ratsuchenden, Ansprüche und Rechte im Alltag wirksam durchsetzen zu können.

„Aus der hohen Bedeutung der gesundheitsrechtlichen Beratungen können wir schließen, dass echte Gesundheitskompetenz regelmäßig über die Fähigkeit hinausreichen muss, medizinische Sachverhalte richtig einordnen und auf die persönliche Lebenssituation anwenden zu können. Sie wird ergänzt um Systemkompetenz, also das Wissen, wo die passende Unterstützung und Hilfe zu finden ist. Dazu kommt gesundheitsrechtliche Kompetenz, um persönliche Gesundheitsinteressen und Ansprüche gegenüber Leistungserbringern und Kostenträgern durchsetzen können."  

Zwischeninformationen statt echter Entscheidungen 

In der Kommunikation der Kostenträger, die gesetzlich zur Auskunft und Information der Versicherten verpflichtet sind, beobachtet die Patientenberatung allgemein mit Sorge, dass insbesondere Zwischeninformationen für Versicherte wie echte Entscheidungen wirken und sie sich von den Kassen dazu gedrängt fühlen, die ihnen zustehenden Rechte einer Überprüfung ihrer Ansprüche auf dem Verwaltungsweg nicht auszuschöpfen. „Verharmlosende Schreiben, die die Versicherten nicht eindeutig über ihre echten Rechte informieren und nach dem Eindruck der Ratsuchenden stattdessen häufig Lösungen anbieten, die für die Kassen günstiger sind, stehen nicht im Einklang mit den eigentlichen Aufgaben unserer Krankenkassen", sagt Thorben Krumwiede. 

Besonders häufig: Fragen zum Krankengeld 

 

Der Auswertung der Beratungsdokumentation zufolge nehmen in der gesundheitsrechtlichen Beratung Fragen zum Krankengeld 2017 eine besonders starke Rolle ein: Die Zahl der Beratungen kletterte von 10.193 Beratungen im Vorjahr auf 14.334 Beratungen.  Nach wie vor ungelöst ist den Beratungszahlen nach das Problem existenzbedrohender Konsequenzen durch den Verlust des Anspruchs auf Krankengeld aufgrund formaler Lücken in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – unabhängig vom objektiven Gesundheitszustand der Versicherten. Wie im Vorjahr beklagen viele Ratsuchende zudem, dass der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) Begutachtungen ihres Gesundheitszustandes nach Aktenlage vornehmen kann, was als wenig patientenorientiert erlebt wird.

Erstmals ausführlicher aufbereitet hat die Patientenberatung die Situation der Klärung des zuständigen Leistungsträgers bei Gefährdung der Erwerbsfähigkeit, die den Schilderungen der Ratsuchenden nach oft als belastend erlebt und nicht selten von einer wenig einfühlsamen Kommunikation begleitet wird. Auch der Verdacht auf Behandlungsfehler (5.851 Beratungen) führt regelmäßig besonders viele Ratsuchende zur Patientenberatung. Betroffene, die fürchten, Opfer eines Behandlungsfehlers geworden zu sein, berichten vielfach von mangelnder Kommunikation und Information. Trotz verbesserter Unterstützungsangebote zur Abklärung einer belastenden Situation fühlen sie sich oft weitgehend allein gelassen. Die Beraterinnen und Berater machen auch fünf Jahre nach Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes die Erfahrung, dass Einsichtsrechte in die Patientenakte längst nicht immer, wie gesetzlich gefordert, gewährt werden.

Patientinnen und Patienten scheitern bereits häufig beim Zugang zum Gesundheitswesen

Es mangele an Orientierungswissen, allerdings auch an qualitativen Informationen, die den Menschen helfen, die für sie passenden Angebote zu finden, so ist dem Monitor zu entnehmen. Und schließlich berichten Ratsuchende auch von Schwierigkeiten, überhaupt einen Behandlungstermin zu erhalten. In der Arzneimitteltherapie herrschen nach wie vor große Unklarheiten über Zuständigkeiten.  In der Zahnmedizin fühlen sich den Rückmeldungen der Ratsuchenden zufolge Betroffene an einem bedingungsfreien Zugang zu Kassenleistungen gehindert und werden  über kostengünstige Kassenmodelle in der Kieferorthopädie häufig nicht oder nicht umfassend aufgeklärt.  

Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung verwies auf die schon jetzt bestehenden Aufklärungs- und Informationspflichten und auch auf nstrengungen der Politik, etwa mit der Ausweitung der Sprechstunden in den Arztpraxen und einer Verbesserung der Arbeit der Terminservicestellen schon beim Zugang zum Gesundheitssystem anzusetzen. Auch das Thema Beweiserleichterung für Betroffene von Behandlungsfehlern wolle er angehen, sagte Ralf Brauksiepe und kündigte an: „Nach einer Bestandsaufnahme der ableitbaren Verbesserungen werde ich im Herbst den Monitor der Unabhängigen Patientenberatung wieder auf die Agenda setzen. Dann werden hoffentlich alle, die im Monitor angesprochen werden, konkrete Lösungsvorschläge präsentieren können."

Der „Monitor Patientenberatung 2017" sind sowohl auf der Seite des Patientenbeauftragten unter www.patientenbeauftragter.de  als auch auf der Seite der UPD unter www.patientenberatung.de abrufbar. 


Quelle: BMG-Pressemitteilung vom 12. Juni 2018